Pressestimmen

–>> GUIDO BIDINGER - Malerei und Zeichnung - Meinhard Lentz

–>> Geschenk für Konrad Adenauer stammt von Trierer Künstler

–>> Begegnungen mit einer fremden Welt - Dr. Bärbel Schulte

–>> Einführung in die Ausstellung - "Unterwegs" von Guido Bidinger am 28.10.2007- Tufa Trier

–>> Farbige Studien mit deutlicher Handschrift – von Ingrid Zimmermann (Süddeutsche Zeitung)

–>> Vom politischen Ausdruck bildender Kunst – von Marcus Stölb


GUIDO BIDINGER - Malerei und Zeichnung - Meinhard Lentz

Guido Bidinger gehört noch zu einer Generation, der die großen Umbrüche des vergangenen Jahrhunderts nicht erlaubten, einen wohlgebahnten, sozusagen schulmäßigen Weg zu ihrem Lebensziel zu gehen.
Wer 1939 Abitur machte, auf den wartete der große Krieg. Guido Bidinger ist ihm auch wieder entkommen - 1949, zehn Jahre später - nach fünf Jahren russischer Kriegsgefangenschaft.
Mit einem hintergründigen Lächeln, das vieles unausgesprochen läßt, pflegt er von diesen Jahren zu sagen, sie seien seine eigentliche Lehrzeit gewesen - und zwar in einem präzisen Sinne;
In diesen fünf Jahren wurde Kunst für ihn Überlebensstrategie - und seine Lehre war ein autodidaktisches `learning by doing`. Denn um diese Zeit zu überstehen, gab Guido Bidinger sich als das aus, was er erst werden wollte, als Maler und Bildhauer.
Der Respekt des Lagerkommandanten vor künstlerischer Kreativität beförderte ihn daraufhin zu einer Art `Brigadier` einer Bildhauerbrigade, die nach seinen Anweisungen aus Baumstämmen, die Rohlinge figuraler Plastik herausschlugen, denen er dann den Feinschliff gab.
Das Künstlerverzeichnis der Trierer Gesellschaft für Bildende Kunst weist, nach Guido Bidingers Entlassung aus Kriegsgefangenschaft einen Besuch der damaligen Werkkunstschule aus. Aber damit war es nicht weit her. Den in fünf Jahren geformten Autodidakten machte das gemächliche, methodische Schritt-für-Schritt der Werkkunstklasse ungeduldig. Und Existenznot ließ auch gar keine Zeit für einen schulischen Bildungsgang. Der Lebensunterhalt der elterlichen und bald auch der eigenen Familie, zwang Guido Bidinger, vor dem Hand- das Kunstwerk hintan zu setzen, das heist seinen Gesellen- und Meisterbrief zu machen, um dem väterlichen Malerbetrieb vorstehen zu können. Zum Malen kam er nur noch zu nächtlicher Stunde. Erst seine Anstellung als Kunsterzieher und Werklehrer an einer Trierer Schule Mitte der 60er Jahre gab dann dem Künstler Guido Bidinger Raum zur Entfaltung.
Die Bilder, die Guido Bidinger jetzt in der Theater-Galerie Trier zeigt, verdanken sich den Reisen, die er seit den 70er Jahren unternommen hat.
Sie haben ihn - um nur auch in dieser Ausstellung berührten Räume zu nennen - in Europa und im Mittelmeerraum in die Provence, nach Spanien, Venedig, Griechenland, in die Türkei, auf die Sinai-Halbinsel und nicht zuletzt nach Fernost - Thailand, China Japan, Bali - geführt.
Während der Künstler diese Ausstellung vorbereitete, hat hat er mit dem Gedanken gespielt, sie `Illustrationen` seiner Reisen zu nennen. Das hätte etwas Provokatives gehabt.
Ungeachtet der lange herrschenden Zeitströmung, die nur der ungegenständlichen Kunst die Qualität der Avantgarde, des Progressiven, ja des Demokratischen zusprach - hat Guido Bidinger zwar immer an der gegenständlichen Gebundenheit seiner Malerei festgehalten, aber sie leistet gerade nicht, was man gemeinhin von `Reiseillustrationen` erwartet: die abbildende Bebilderung von Reiseeindrücken.
Wer als Thema dieser Bilder die Rialto-Brücke, den Pekinger Himmelstempel oder die Pagode von Kyoto sucht, also die touristisch obligatorischen Wahrzeichen bestimmter Örtlichkeiten, der wird enttäuscht. Wenn überhaupt, finden sie sich eher als Randphänomene.
Diese Bilder bieten keine Projektionsfläche für eigene Reiseerinnerungen. Sie reflektieren vielmehr die Erfahrungen, Anregungen, Herausforderungen, die das Reisen Guido Bidinger vermittelt hat. Es gilt, sich auf seine Sicht einzulassen. Und das ist natürlich die Sicht eines Augenmenschen, eines Malers.
Den linken oberen Bereich des großformatigen Bildes `Sinai, Gartenlandschaft`(Abb.5), füllt ein unwahrscheinlich intensives Rot, unwahrscheinlich in einem doppelten Sinne; einmal als Farbqualität an sich - zum anderen aber unwahrscheinlich als Blütenpracht eines Baumes, auf die der Maler unerwartet im Sinai stieß. Ihr gesellte sich in dieser Wüsten- und Felslandschaft ebenso überraschend ein Fleck grüner Erde zu.
Nicht die felsigen Abstürze des Sinaigebirges und nicht als Katharinenkloster - dieser Farbklang wurde zur Herausforderung des Malers.
Oft sind es zwei, drei Farben, ihr ungewöhnlicher Zusammenklang oder ihre Spannung, die die Keimzelle eines Bildes bilden.
Sie werden zum Ausgangspunkt für die Setzung farblicher Kontraste oder die Vermittlung einer Farbspannung in einem Prozeß farblicher Mischungen und Brechungen, der die Ursprungselemente farblich nuanciert und moduliert.
Nun ist es aber nicht so, als würde der Farbklang oder Farbkontrast, der den Anstoß zu einem Bild gibt, die reale Farbigkeit eines Wirklichkeitsausschnittes abschildern.
Von einer solchen Vorstellung warnt schon die Tatsache, daß die ausgestellten Bilder, alle in den letzten drei Jahren, zum Teil also lange nach den Reisen entstanden sind. Sie entstammen also dem von einem Skizzenbuch geleiteten `malerischen Gedächtnisses`.
Und schon die noch angesichts des Objekts skizzierende Hand transformiert die gesehene Wirklichkeit unter bildgestalterischen Aspekten.
Erst recht aber bearbeitet das malerische Gedächtnis die gesehene Wirklichkeit produktiv, transponiert ihre Farben, transzendiert sie in eine Farbigkeit sui generis,, eine für jeden Raum je eigene Farbstimmung.
Auf diese Weise entfalten die Bilder ein Farben- und Formenspiel, das nicht einfach eine gesehene Realität abbildet, sondern Landschaften, Kulturräume in charakteristischer Weise reflektiert, nämlich gespiegelt, verwandelt im malerischen Temperament Guido Bidingers.
Die Spannweite dieses Temperaments zeigt sich im Griff zu unterschiedlichen Techniken;
zu der leichten schwebenden, flüchtigen Farbigkeit der Aquarelle - in einigen ist die ganz dem Impetus des Augenblicks hingegebene Spontaneität im Malduktus noch unmittelbar spürbar - zu den dichteren, dem Ausarbeiten der Zwischentöne günstigen Acrylfarbe und Mischtechnik, schließlich zum Ölbild, dessen Malschichten manchmal von der beharrlichen Bearbeitung eines gestalterischen Problems zeugen.
Über der Sensibilität und dem hohen ästhetischen Reiz der Palette Guido Bidingers, ihrer Kraft, die visuelle Phantasie des Betrachters in Bewegung zu setzen, darf man nicht vergessen, daß figurale und gegenständliche Formen ein konstitutives Element siner Bilder sind. Sie sind durchaus der gesehenen Umwelt entnommen. Aber das geschieht mit gestalterischen Freiheit.
Vor allem löst er sie aus dem Zusammenhang vorgefundener räumlicher Zuordnungen und macht sie zu Gestaltungselementen, die in gleichsinniger Fügung und gleichseitiger komplementärer Spannung, den Bildaufbau, die Komposition ins Werk setzen.
Nach so vielen Worten ist es vielleicht an der Zeit, an eine Warnung Goethes zu erinnern. Er hat gemeint, alles, was man über ein wirkliches Kunstwerk sagen könne, sei `leerer Windhauch`. Denn - so in seinem römischen Brief vom 27. Juli 1787 - `Die Kunst ist deshalb da, daß man sie sehe, nicht davon spreche...` (Hamb. Ausg. Bd. 11, S. 372). Und dieser eigentlichen Existenzweise der `Malerei und Zeichnung` Guido Bidingers sollten wir uns jetzt zuwenden.
(Vortrag gehalten zur Eröffnung der Ausstellung `Guido Bidinger - Malerei und Zeichnung` in der Theatergalerie Trier am 8. Januar 1999)

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Geschenk für Konrad Adenauer stammt von Trierer Künstler

Madonna von G. Bidinger in Kriegsgefangenschaft gearbeitet
Altbundeskanzler Dr. Konrad Adenauer wurde im Rahmen der großen Gratulationscour in Bonn vom Verband der Heimkehrer (VdH) eine handgeschnitzte kleine Madonnenfigur überreicht. Der 89 jährige zeigte sich über das Geschenk besonders erfreut. Der Heimkehrerverband wollte Adenauer mit der Überreichung dieser Madonnenfigur, die vom Trierer Künstler Guido Bidingerin russischer Kriegsgefangenschaft gearbeitet wurde, danken für seine erfolgreichen Bemühungen um die Heimkehr so vieler deutscher Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft.
Unter großen Schwierigkeiten wurde die von Bidinger geschaffene Madonna aus Rußland nach Deutschland gebracht und gelangte in den Besitz des Heimkehrerverbandes, der sie nun Dr. Adenauer überreichte.
Die von Guido Bidinger 1944 in Kriegsgefangenschaft geschnitzte Madonna diente dem katholischen Lagerpfarrer als Altarschmuck bei der heiligen Messe. Dieser brachte sie mit nach Deutschland.
In den vergangenen Jahren befand sich die von Bidinger geschnitzte Madonna in der Ausstellung des Verbandes der Heimkehrer `Wir mahnen`, die Werke von Kriegsgefangenen zeigte.
Von Guido Bidinger, mit Erich Kraemer Ramboux-Preisträger 1964, schrieb der General-Anzeiger Duisburg aus Anlaß einer Ausstellung: Bidinger ist Autodidakt. Er entdeckte und bildete sein künstlerisches Talent in den fünf schweren Jahren russischer Kriegsgefangenschaft und organisierte in Wologda eine erste Ausstellung seiner Bilder. Sein weiterer Lebensweg ist für den Kunstfreund insofern interessant, als er charakteristisch ist für die innere Selbstsicherheit, für die geistige Unabhängigkeit und für die kritische Selbsteinschätzung dieses Künstlers..
Nach der Gefangenschaft absolvierte B. eine Malerlehre und machte in diesem Handwerk eine Meisterprüfung und setze auf der soliden Basis einer umfassenden Materialkenntnis seine künstlerische Arbeit fort. Dabei machte er sich völlig frei von jedem Sog modernistischer Tendenzen und gestaltete, ganz dem mystischen Zug seines Wesens folgend, Bilder, die in keine der üblichen Kategorien einzuordnen sind...
Ausschnitt aus der `Trierischen Landeszeitung` vom 7.1.1965

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Begegnungen mit einer fremden Welt - Dr. Bärbel Schulte

`Guido Bidinger - frühe und neue Malerei - Begegnungen mit der fremden Welt, den Menschen und ihren Kulturen`. so lautet der ursprünglich geplante und eigentlich vollständige Titel der heutigen Ausstellung, die anläßlich Guido Bidingers bevorstehendem 80. Geburtstag von der Gesellschaft für Bildende Kunst ausgerichtet wurde. `Begegnungen mit der fremden Welt`, das ist zwar hier wohl zunächst kultur-geographisch allgemeint, jedoch auch durchaus auf das Ausstellungswesen ganz allgemein zu beziehen. Bei jeder Ausstellung kommt es zu Begegnungen mit der oftmals fremden Welt eines Künstlers und man muß sich jedes mal aufs Neue mit den gezeigten Werken auseinander setzen, sich auf sie einlassen. Gerade darum werden sie ja präsentiert, denn die Künstler schaffen in den seltensten Fällen ganz autistisch nur für sich alleine.
Dies gilt insbesondere für Guido Bidinger, der großen Wert auf den Austausch legt. Seine Arbeiten leben vom Dialog mit dem Betrachter, deshalb verdienen sie auch die Bezeichnung `Begegnungen`. Es sind nicht allein Begegnungen zwischen dem Betrachter und dem Kunstwerk, sondern auch Begegnungen zwischen dem Betrachter und dem Künstler Guido Bidinger, der mit wachen Augen durch die Welt reist und uns seine Eindrücke vermittelt.
Aus einer frühen Schaffensperiode, Anfang der 60er Jahre, sind drei Arbeiten in dieser Ausstellung vertreten, die Guido Bidingers intensive Auseinandersetzung mit der damaligen aktuellen Kunstszene dokumentieren.
Farbliche Verdichtungen bis hin zu monochromen Strukturen, festere Linien, rhythmischer Gestus und reliefhafte Züge kennzeichnen die nachtachistische Avantgarde gegen Ende der 50er Jahre. Ein neuer Formbegriff verwandelte die Bildfläche in eine stoffgebundene Aussage. `Wirklichkeit`, so schrieb der bekannte Kunsthistoriker Rolf Wedwer 1960, `bedeutet nicht länger den Höhenflug einer kosmischen oder psyschichen Jenseitigkeit, sondern konkretes Gegenüber, plastische, räumliche Gegenwart, Umgang mit der irdischen Materie, Engagement in den stofflichen Mitteln des Bildmaterials`. Die damals hauptsächlich verwendeten Erdfarben, ihr Aufbau, Ihre Schichtung und ihre Behandlung bildeten eine autonome Eindringlichkeit, die - an geologische Gesetze anknüpfend - Dauer und Unaufhörlichkeit suggerieren und den Bildern eine neue Festigkeit, eine geistige Stabilität verleihen sollten.
Diese damals ganz neuen Stilmerkmale finden wir zum Teil auch in den drei Arbeiten Guido Bidingers verwirklicht. Eines zeigt Totemfiguren aus der Südsee sog. `Adus` (Abb.12), ein anderes den `Gelben Fluß` (Abb.13), umgeben von den für Südchina typischen kegelförmigen Hügeln, die sich kulissenartig in die Landschaft schieben. Die exotische Vegetation wird in der breiten Umrandung aufgenommen, in die das Bild eingebettet ist. Das Aufreißen und Zuspachteln des Malgrundes, die verschiedenen Zustände der Materie gemahnen an den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens der Natur. Bereits hier finden wir die raffinierte Gestaltung der Bildoberfläche, die auch Bidingers spätere Arbeiten auszeichnen.
Die bildnerische Auffassung ist sehr weit vom Realistischen entfernt, ohne sich - entgegen der damals vorherrschenden Marschrichtung - ganz vom Gegenstand zu lösen. Hier geben Farben und Formen eine Idee oder einen Eindruck der jeweiligen Landschaft oder einer Kultur wieder, ohne abbildhaft zu sein. Guido Bidinger kannte diese Landschaften damals noch nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus der Literatur, erst nach seiner Pensionierung konnte er die großen Reisen mit seiner Frau unternehmen, Japan, China, Indonesien, Indien, Ägypten, Rußland und den Mittelmeerraum hat er mittlerweile bereist. Die Ferne hat ihn immer fasziniert und wie wir hier sehen, haben bereits die frühesten Arbeiten fremde Kulturen und Länder zum Thema. Ein großer Teil seines Oeuvres steht unter diesem Zeichen.
Es sind Bilder, in denen er Eindrücke und Erinnerungen verarbeitet, die er auf seinen zahlreichen Reisen gesammelt hat. Vor Ort fertigt er Skizzen, die er später - zum Teil viel später - in seinem Atelier ausarbeitet. Das Ergebnis hängt natürlich auch von seiner Tagesstimmung ab. Persönliche Stimmungen und Befindlichkeiten fließen in die Arbeiten ein.
Es sind subjektive Beobachtungen und Wahrnehmungen, denen er Form und Farbe verleiht und die er umgestaltet, teilweise ganz unabhängig von den realen örtlichen Gegebenheiten. Manche seiner Bilder sind nur flüchtige Gedankenskizzen. Dies ist vor allem bei den Aquarellen der Fall, die in ihrer zarten Duftigkeit und Lichtfülle nur einen Augenblick spontan festhalten und die Stimmung Acryl- und Ölgemälde dagegen sind dichter, meist völlig durchgearbeitet. Hier spielt vor allem die Farbe eine wichtige Rolle, deren Gestaltung und Behandlung er in diesen Techniken intensiv bearbeiten kann. Sie sind wesentlich stärker abstrahiert als die Aquarelle, mehr auf Form- und Farbzusammenhänge aufgebaut. Das Motiv gibt lediglich den Impuls zur künstlerischen und vor allem zur farblichen Auseinandersetzung.
Betrachten wir beispielsweise das Gemälde `Japanischer Garten ll` aus dem Jahr 1982 (Abb.15). Das Farberlebnis von Kirsch- und Mandelblüten schlägt sich in dem rosafarbenen Feld nieder, dessen Form jedoch völlig unabhängig von dem Baum steht. Die gleichzeitige Strenge dieses Feldes und des kompositorischen Aufbaus ermöglicht jedoch Assoziationen an den strengen und klar gegliederten Aufbau japanischer Gärten.
Guido Bidingers malerische Finesse und seine Kultiviertheit in der farbigen Gestaltung wird in den Bildern wie dem 1994 entstandenen `Tanz um das goldene Kalb`(Abb.16) evident. Er verwendet häufig expressive Farben, ohne jedoch ins Plakative abzugleiten. Mit sicherem Gefühl für die Verteilung und Gewichtung verleiht er seinen Bildern eine sensible, differenzierte Farbigkeit, Peinture im besten Sinne. Wir finden starke Farbkontraste und expressive Farborgien einerseits, einen verhaltenen, fast zärtlichen Umgang mit zarten Farben andererseits.
Abhängigkeit von der jeweiligen Stimmung oder dem Eindruck der Landschaft werden die Bilder zunächst farbig angelegt, abstrakte Flächen, die sich vom Gegenstand weitgehend gelöst haben, höchstens farbassoziativ wirken. So ist beispielsweise die Darstellung des `Palio`(Abb.21) in Siena, in seinen warmen Rot- und Brauntönen farblich geprägt von den typischen Ziegelbauten dieser Stadt.
Zwar ist die flirrende Hitze der südlichen Regionen auf einigen Bildern förmlich zu spüren, auf anderen ist es die Vitalität der leuchtenden Rottöne oder die Morbidität der grau- braunen Flächen, die sich dem Betrachter vermitteln, doch wird die Verteilung dieser Flächen von innerbildlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmt. Die eigentlichen Motive werden häufig nur fragmentarisch durch einige flüchtige Striche angedeutet. Die Menschen, die hin und wieder in seinen Bildern erscheinen, haben meist keine Gesichter, es sind Typen. Er kennt sie nicht, sie sind und bleiben anonym. Dennoch gehören sie zum Straßenbild der Städte ebenso wie die Tiere, die manchmal auftauchen. Er zeigt sie in typischen Posen und Gewändern, ohne daß sie klischeehaft wirken.
Klischees sind ihm verhaßt, aus diesem Grund findet man in seinen Arbeiten auch selten die touristischen Wahrzeichen der jeweiligen Städte oder Landschaften, sondern im Gegenteil eher nebensächliche Straßenzüge, Landschaften oder Szenen, die in den Reiseführern kaum erwähnt oder abgebildet werden, für ihn aber aufgrund ihres Farbklangs gerade von besonderem Reiz waren. Es ist keine Konsumkunst, die längst Bekanntes zeigt und bei der der zweite Blick nicht lohnen würde. Die Bilder eröffnen dem Betrachter viel Assoziationsspielraum. Seien es Erinnerungen an selbst unternommene Reisen, seien es Träume von fernen Ländern, die jeder von uns hegt und die dadurch Nahrung erhalten.
Guido Bidinger verfügt über eine große Bandbreite künstlerischer Gestaltungsmöglichkeiten und experimentiert mit unterschiedlichen Techniken, so ist er auch nicht allein auf seine Landschaften und Reisebilder festzulegen. Er behandelt ganz unterschiedliche Themen, wie das Gemälde `Traum eines Malers`(Abb.19) von 1999. Es ist eine farbliche Umsetzung eines unbewußten Gefühls. Die vorherrschende Farbe ist Violett, die Farbe der Nacht. Durch den kompositorischen Aufbau und die Verteilung der Flächen entsteht Spannung und Dynamik, der Betrachter wird in einen Strudel gerissen, ähnlich wie sich der Träumende in seinem Traum verliert.
Seit 1953 beschickt Guido Bidinger regelmäßig Ausstellungen im In- und Ausland, Städte wie Paris, Hamburg, München erscheinen in seinem Verzeichnis. 1964 erhielt er den Ramboux-Preis der Stadt Trier, 1970 den Akademie-Preis der renommierten Sommerakademie Salzburg.
Seine Bilder überzeugen sowohl auf formaler wie auf ästhetischer Ebene, sie sind sinnlich und kraftvoll, regen die Phantasie des Betrachters an und öffnen dem, der sich darauf einläßt, neue Horizonte. Guido Bidinger hat etwas zu sagen und das Sie heute Abend hier so zahlreich erschienen sind, zeigt, daß er mit seiner Malerei doch viele Menschen anspricht.
(Vortrag gehalten zur Eröffnung der Ausstellung `Guido Bidinger - frühe und neue Malerei`, Galerie Palais Walderdorff, Trier, am 18. Februar 2000)

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Einführung in die Ausstellung - "Unterwegs" von Guido Bidinger
am 28.10.2007 - Tufa Trier

Vor ziemlich genau 2 Jahren hat Guido Bidinger Trier verlassen, um nach Gengenbach bei Offenburg im Schwarzwald in die Nähe seiner Kinder zu ziehen.
Jetzt stellt er in der Tufa aus und die Ausstellung ist eine Mischform aus Retrospektive und aktuellen Arbeiten aus den letzten zwei Jahren.
Auch wenn viele den Künstler und Menschen Guido Bidinger kennen, gehe ich zum Anfang zurück, um zu seinem spezifischen Zugang zur Malerei zu aufzuzeigen.
Nach dem Krieg verbrachte Guido Bidinger 5 Jahre in einem Gefangenenlager im Norden Russlands und beschäftigte sich in dieser Zeit intensiv mit Malerei und Plastik, wobei dort die Mittel und Grundlagen erst einmal geschaffen werden mussten: Pinsel wurden selbst hergestellt und als Malgrund diente gebleichtes Zuckertütenpapier.
In diesen fünf Jahren wurde Kunst für ihn Überlebensstrategie - und seine Lehre war ein autodidaktisches `learning by doing`.
Diesen improvisierten und experimentellen Zugang hat sich Guido Bidinger sein ganzes Leben im Umgang mit der Malerei bewahrt.
Obwohl sein Stil unverkennbar ist, legt er sich auch in den Arbeiten der letzten Jahre nicht auf eine Stilrichtung fest, sondern zeigt in dieser Ausstellung Collagen mit strengerer Formgebung neben lockeren und leichten Aquarellen, Zeichnungen und freie Malerei.Der Titel der Ausstellung "Unterwegs" verweist zum einen auf ein Lebensmotto Guido Bidingers, ist jedoch auch im übertragenen Sinne zu verstehen: der Künstler ist immer unterwegs und wir alle sind es in unserem Leben auch dann, wenn wir scheinbar verweilen.
Das Leben selbst ist Unterwegssein.
Guido Bidinger in die Welt hinaus gegangen, um das Fremde und Unbekannte zu erleben. Studienreisen führten ihn nach Japan, China, Marokko, Indien, Südostasien, Burma, Ägypten und in sämtliche Mittelmeerländer.
Dabei entstand eine Vielzahl von Skizzen, die dem Maler später im Atelier als Formnotizen dienen. Seine Bilder sind nie Abbild, sie reflektieren vielmehr Erfahrungen, Anregungen, Herausforderungen, die das Reisen ihm vermittelt hat.
Guido Bidingers Bilder bilden in ihrem Farben- und Formenspiel keine gesehene Realität ab, sondern reflektieren Erfahrungen, Anregungen und Hersausforderungen, die ihm die Reisen vermittelt haben und verwandeln Landschaften und Kulturräume in besonderer und charakteristischer Weise.
Oft ist es eine ungewöhnliche Farbstellung und die daraus resultierende Spannung, die den Ausgangspunkt eines Bildes bilden. Die Komposition ist bestimmt durch die Einheit von Erinnerung, Erfahrung, Form und Farbe auf spezifisch bearbeiteten Malgründen, wobei figurative Elemente sind immer in den Bildern zu finden sind. Sie sind durchaus der gesehenen Umwelt entnommen und werden losgelöst aus dem Zusammenhang ursprünglicher räumlicher Zuordnungen zu Gestaltungselementen, die gleichwertig mit anderen Gestaltungsmitteln wie Form und Farbe eine Komposition bestimmen.
Die Bilder lassen dem Betrachter viel Assoziationsspielraum.
Guido Bidinger hat immer in unterschiedlichen Techniken gearbeitet; es sind leichte und sehr spontane Aquarelle entstanden ebenso wie dichtere und stärker strukturierte Mischtechniken und Acrylbilder
Neben der eigenen Malerei war für Guido Bidinger immer die Vermittlung seines Könnens also das Arbeiten mit Schülern elementar wichtig.
Als Kunst- und Werklehrer, als Dozent für Keramik an der Europäischen Kunstakademie arbeitete er bis zu seinem Weggang von Trier kontinuierlich mit einer stattlichen Anzahl erwachsenen Schülern in Acryltechnik, Ton und Aquarell. Dabei war es ihm stets wichtig, den eigenen Stil eines jeden einzelnen zu fördern und die jeweilige Person in ihrem Umgang mit dem künstlerischen Medium zu bestärken.
Auch hier stand der unakademische Umgang (im positiven Sinne) mit dem Malen im Vordergrund. Keine bestimmte Technik, wie man sie aus akademischen Aquarell-Lehrbüchern kennt, stand im Vordergrund sondern, die Komposition eines Bildes, die aus einer Kombination verschiedener Techniken entstehen konnte. Malen erfordert Mut - auch wenn das Risiko, das man einging, vergleichsweise gering war. (Es durfte nämlich auch abgewaschen werden.)
Gemalt wurde jedoch nicht nur im Atelier - auch hier war Guido Bidinger mit seinen Schülern unterwegs.
Er unternahm das, was für ihn selbst auch elementar wichtig war - Reisen zuerst nach Frankreich aber auch nach Mallorca und Bulgarien.
Ich erinnere mich dabei sehr gern an wunderbar entspannte Frankreichaufenthalte, bei denen jedoch auch viel gearbeitet wurde. Es entstand ein starkes Gruppengefühl und eine entsprechende Dynamik und oft war das, was im Atelier schwer gefallen war, plötzlich leicht, weil die Freiheit zu experimentieren größer war als in der gewohnten Umgebung.
Guido Bidinger zeigte, was es bedeuten kann - neugierig durch die Welt zu gehen. Die Reisen wurden so immer auch zu einer Schule des Sehens, ein wichtiger Begriff für ihn, der zurückführte auf seine Aufenthalte in der Sommerakademie Salzburg bei Oskar Kokoschka.
Wenn man über Guido Bidinger spricht, ist es ganz wichtig, auch seine Frau Claire zu erwähnen. Stets zur Seite hat sie ihm in all den Jahren immer den Rücken frei gehalten für seine Arbeit, war auch bei den Reisen an seiner Seite und mehr noch ... hat sie mit organisiert und sich in ihrer ruhigen ausgeglichenen Art oft im Hintergrund um vieles gekümmert.
In den letzten zwei Jahren hat sich das Arbeiten für Guido Bidinger verändert. Er hat keine Malgruppen mehr und vergleicht seine Arbeitsweise mit der eines Mönchs in einer Klause.
Er arbeitet intensiver, da die Ablenkungen geringer sind als in der Trierer Zeit und er arbeitet oft länger an einem Bild.
Die neueren Arbeiten sind daher fast ausschließlich Mischtechniken in spannenden intensiven Farbstellungen.
(persönliches Dankeschön)
Lydia Oermann

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Farbige Studien mit deutlicher Handschrift
Der 87-jährige Künstler Guido Bidinger aus dem Badischen stellt in der Schondorfer Galerie Rose aus
Süddeutsche Zeitung / Landkreis Starnberg / vom 13.07.2007

Schondorf – Bildende Kunst lässt sich von vielerlei Schubläden und Plattformen her definieren. Eine davon ist, dass zwar deutlich eine eigene Handschrift erkennbar ist, jedoch in spielerischer Freiheit die unterschiedlichsten Handwerke und stilistischen Vorgehensweisen verbunden werden. So ist es bei Guido Bidinger, dem Gast aus dem Badischen, dessen Arbeiten nach einer persönlichen Vermittlung in der Galerie Rose in Schondorf zu sehen sind.
Bidinger, 1920 in Trier geboren und erst nach dem Krieg und der Kriegsgefangenschaft in Russland 1949 zum ersehnten Studium an der Werkkunstschule seiner Heimatstadt gelangt, stehen die graphische Umsetzung aus einer sehr lockeren Zeichenhand und das weich fließende Aquarell in Nass- in-Nass-Technik ebenso zur Verfügung wie die den gesamten Bildgrund mit intensiver Farbigkeit füllende Arbeit mit Acryl und Ölkreiden. `Frauenbildniss`, ein mit nur wenigen Linien skizzierter Akt in der hellen, kaum strukturierten Bildmitte, zeigt sich wie von einem breiten dunklen Rahmen umgeben. In `Altamira`, erst im vergangenen Jahr während einer Reise entstanden, verschmelzen unterschiedliche Zeiten. Ein Ochsengespann, ebenfalls locker gezeichnet und koloriert, zieht dahin von einem Bild im Bild: Die Wandzeichnungen der Rinder aus der berühmten Höhle schweben wie ein Poster darüber. 'In einer indischen Straßenszene' steht die heilige weiße Kuh in der Bildmitte. Was der Arbeit jedoch eine besondere Botschaft mitgibt, sind die Silhouetten zweier Tempel, als rosenholzfarbene Phantome im Hintergrund wahrzunehmen. So ist für die tiefe, im Alltag immer noch gelebte Spiritualität Indiens eine bildliche Metapher gefunden, in der unterschiedliche Ebenen zusammen schwingen.
Guido Bidinger, langjähriger Kunsterzieher und Werklehrer in Trier, dem zum 50. Geburtstag der Akademiepreis der Sommerakademie der Stadt Salzburg zuerkannt wurde, eröffnete wenige Jahre danach sein eigenes Keramikstudio in Trier. Mit knapp 60 hatte er für 10 Jahre einen Lehrauftrag an der Keramikklasse der Akademie der Bildenden Kunst in Trier inne. Trotzdem kam er noch weit in der Welt herum. In Schondorf zu sehen sind farbige und immer expressiv bewegte Studien aus Bali, Marokko, Bulgarien, Venedig und China.
INGRID ZIMMERMANN

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Vom politischen Ausdruck bildender Kunst
Unermüdlich auch im hohen Alter; der 84-jährige Trierer Künstler Guido Bidinger
Marcus Stölb, Trierischer Volksfreund, 2004

TRIER. Seit Jahrzehnten schon zählt Guido Bidinger zu den herausragenden Malern Triers. Auch im Alter hat seine Schaffenskraft kaum nachgelassen, wie ein Besuch im Atelier in der Olewigerstrasse zeigt.
Der alte Mann runzelt die Stirn, senkt kurz den Kopf und blickt dann wieder durch den großen, hellen Raum: „Wissen Sie“, sagt Guido Bidinger schließlich, „ich bin gar nicht so froh, wenn man meine Bilder einfach nur schön findet“. Er kokettiert nicht, denn Bidinger will in der Tat, dass seine Werke häufiger „in Frage gestellt“ werden. Doch „leider ist das gar nicht mehr üblich“, muß der Maler oft erfahren. Viele Leute hätten „wohl Angst sich zu blamieren“, mutmaßt er dann und lässt erkennen, dass Kritik an seinem Werk schon Substanz haben sollte, wolle man sich mit ihm auseinander setzen. Substanz kennzeichnet Bidingers Schaffen und Leben. Er ist kein Freund der großen Rede, verzichtet auf szeneübliches Wortgeklingel. Daß er die Bodenhaftung verlieren könnte ist bei dem 84-jährigen eher nicht mehr zu erwarten.
Bidinger hat immer den Drang verspürt, zu malen; bis heute gibt er dem Drang täglich nach in seinen ungezählten Bildern, die mehr Andeutung denn getreue Wiedergabe sind. Emotional sei er, sagt er über sich und es klingt zunächst nüchtern. Doch in Bidinger arbeitet es und wer länger mit ihm spricht, bekommt eine Ahnung davon, wie sehr ihn das Zeitgeschehen auch emotional beschäftigt.
Die ambivalente Liaison von Politik und Kunst
Und Bidinger ahnt, dass seine Werke auch Ausdruck momentaner Stimmungslagen und grundsätzlicher Einstellungen sind. „Das läuft dann aber unbewußt ab“, stellt er klar und meidet so jeden falschen Anschein. Dass Farben eine „heilende Wirkung“ haben und die Kunst für ihn auch eine „Form der Selbsttherapie“ ist leugnet Bidinger indes nicht.
Kunst politisch einzuspannen – das lehnt er ab, um dann noch hinzuzufügen: „Aber als bildender Künstler drückt man sich ja auch irgendwie politisch aus“. Und sei es dadurch, dass man auch bei rein ästhetischen Motiven immer Gefühle und Empfindungen mit einflössen, die naturgemäß naturgemäß auch politisch beeinflusst seien.
Daß Politik und Kunst eine mitunter unheilvolle Liaison eingehen, weiß auch Bidinger. Doch im Fall der bevorstehenden und schon heftig umstrittenen Ausstellung der sogenannten „Flick-Collection“, hat Bidinger eine klare Meinung: „Hier heiligt der Zweck die Mittel“, sagt er und fügt hinzu: „Wichtig ist doch, dass sich die Menschen wieder mit Kunst auseinander setzen“.
Bidinger tut einiges dafür, Menschen mit Kunst in Berührung zu bringen. Allwöchentlich besuchen ihn rund 20 Freund und Bekannte, mit denen er malt oder in der Keramikwerkstatt arbeitet. Er versteht sich nicht als „Lehrer“, so wie er seine künstlerisch aktiven Besucher nie „Schüler“ nennen würde. Dabei weiß Bidinger, dass sie von ihm lernen, ihm gewissermaßen nacheifern wollen. Doch der einstige Kunsterzieher bleibt bescheiden, sieht auch seine Grenzen. „Man kann nur einen Blindenstock schnitzen, damit sie (gemeint sind die „Schüler“, Anm. d. Red.) nicht in die Irre gehen“, hält er es mit Henri Matisse.
Sonnenstrahlen durchfluten das Dachgeschoß. „Malen ist Outing“ sagt der Maler inmitten seiner Werke. Und: „Eine Wirkliche Künstlerpersönlichkeit schaut nicht nach links und rechts“, ist Bidinger überzeugt. Sich selbst treu bleiben – dass vermisst er heute, nicht nur unter Künstlerkollegen.
Ob Jörg Immendorff sich treu geblieben ist, als er mit einer Armada von Frauen das Hotelzimmer teilte und Kokain konsumierte? „Man sollte aus seinem Verhalten keine Rückschlüsse auf Immendorffs Kunst ziehen“, verlangt Bidinger kategorisch und fügt hinzu; „Die gibt es nämlich nicht!“ Immendorff sei ein guter Maler und „er ist wichtig für uns alle“.

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